Der Berg
Annäherungen ans Unermessliche
von Dr. Nikolaus Schaffer (SALZBURG MUSEUM em.) anl. der Ausstellung mit Bergbildern und der Galerie Weihergut
Paul Raas ist ein Grafiker, der erstaunliche Perspektiven aufreißt und sich dabei weder technisch noch inhaltlich übermäßig verausgaben muss. Gewissermaßen mit spielerischem Ernst und ohne grandiose Attitüde erobert er das Weltall – ein Magier, der sich auf eine grundsolide Handwerklichkeit verlassen kann. Was spekulativ und vermessen scheint, leuchtet bei ihm unmittelbar ein und bedarf keiner mühsamen assoziativen Umwege.
Raas experimentiert mit den optischen Grundlagen und ihrer technischen Umsetzung und erkundet im Zuge dessen – im Analogieverfahren – universelle Dimensionen. Ohne großen metaphorischen Aufwand entstehen Schöpfungsbilder und Weltraumphantasien. Der Hang zum Informellen, Abstrakten einerseits und zum Seriellen, Gerasterten andererseits gibt einen Spannungsbogen vor, den Raas virtuos im Griff hat. Durch Überblendungen von malerischen und grafischen Bildebenen erzielt er überraschende Tiefenwirkungen kosmischen Ausmaßes. Die gespachtelte Grundierung, die schon durch ihren milchigen Farbklang an galaktische Dimensionen gemahnt, wird überblendet mit konkreten Berg- und Baummotiven in Hochdrucktechnik sowie von mehr oder weniger mutwillig eingeritzten Linien und Strichbündeln durchzogen, die gewissermaßen ins Unendliche vorstoßen. Neuerdings erprobt Raas diese Kombinationen, um spärliche Farbwerte bereichert, in Scheibenform. Das von Künstlern im allgemeinen eher gemiedene Rundformat erweist sich für den explorativen Salzburger als Glücksfall- seine „Planeten“ scheinen sogar im Hängen zu kreisen.
Der vielseitig belesene Raas kommentiert seine Arbeiten mit mathematischen, physikalischen, philosophischen, ja sogar theologischen Auslassungen, ohne doch je als ein verkopfter Künstler zu erscheinen. Die Arbeiten wirken mitnichten überfrachtet, sondern bestechen durch ihre ökonomische Transparenz und Klarheit.
Den letzten Rest von esoterischem Beigeschmack nimmt er seinen „kosmischen Scheiben“ durch rigorose Schnitte, welche die vom Betrachter allzu bereitwillig zur Kugelgestalt ergänzte Kreisform in duale Kontrastfelder auflösen. Damit eröffnet er den Gedankenflügen die Möglichkeit, das Bildhaft-Dekorative gänzlich hinter sich zu lassen und in spirituelle Gefilde zu gleiten.
Malerei und Hochdrucke auf Scheiben 66cm // Serie Elyisum 2019
Raum und Zeit durchziehen als beständiges Thema das Werk von Paul Raas. In abstrakt gemalte Bildebenen setzt er mit raffinierten Hochdruck-Techniken Baum-, Berg- und Landschaftsmotive.
Sie entstammen seiner geografischen Umgebung wie zum Beispiel Hellbrunn, schwenken aber auch ins All, zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko.
In den letzten Jahren dominierte die Farbe Weiß, sie steht für die Zeit, kombiniert mit Schwarz und Blau, in seinen Arbeiten.
Die neuen Werke von Paul Raas spiegeln seinen Entschluss nun bunte Farben in den Bildraum zu bringen; die Zeit für Farbe scheint gekommen.
Dr. Hiltrud Oman, Kunsthistorikerin und Kuratorin, Salzburg Mai 2016